Erst Tätowiererin, dann Grafikdesignerin und jetzt auch mit Video-Content bei TikTok aktiv – Mia Nemčić hat sich mit scharfer Kritik an Logos, Plakatwerbung und Branding auf der Plattform eine ernstzunehmende Community aufgebaut. Heute stehen Unternehmen Schlange, um sich Mias Meinung zu ihrer Werbung abzuholen.
Wir unterhalten uns über ihre Entwicklung vom Grafikdesign zu TikTok, wieso ihr Notizbuch für ihren Autismus nützlich ist und wie man es schafft, ein erfolgreiches TikTok-Konto aufzubauen.

Du warst künstlerisch schon in verschiedenen Bereichen unterwegs, unter anderem als Tätowiererin und Grafikdesignerin. Wie bist du dazu gekommen?
Ich habe nach meinem Abschluss als Grafikdesignerin schnell gemerkt, dass Kundenprojekte mich eher nerven. Es ist viel hin und her und ich fand es sehr schwierig, immer auf einen Nenner zu kommen. Und weil ich schon immer ein Tattoo haben wollte, probierte ich es stattdessen mit dem Tätowieren. Für mich war das der perfekte Job – zumindest eine Weile.
Nach vier Jahren spürte ich, dass es Zeit für etwas Neues war. Ich habe noch nie gern lange dasselbe gemacht – ich wollte nicht tiefer eintauchen, sondern mehr sehen und ausprobieren.
2024 hast du dein TikTok-Konto angelegt. Mittlerweile folgen dir dort Zehntausende und einige deiner Videos haben über eine halbe Million Views. Wie fing alles an?
Die Idee hinter dem TikTok-Konto hat ihre Wurzeln schon in meiner Kindheit. Wenn ich damals mit meinem Vater im Auto saß, kommentierten und kritisierten wir beide unaufhörlich die Plakate. Wir erkannten die Fehler und Verbesserungspotenziale der Werbung – so sind wir beide einfach gestrickt.
Mir gefiel die Idee eines Kommentar-Kanals, auf dem ich mir das Design eines Food-Produkts oder Logos anschaue und dann sage: „Das hier funktioniert nicht wegen X, Y und Z. Und das hier funktioniert wegen X, Y und Z.“

Ich habe keine Ahnung von Branding, aber einen gesunden Menschenverstand. Und eine Menge Leute fanden meine Videos witzig. Vieles kam super an und ich kriegte entsprechendes Feedback. Die Views und Follower folgten dann.
Mittlerweile habe ich den Kanal breiter aufgestellt und spreche über unterschiedliche Dinge: zum Beispiel Kunst, Food und Fashion. Öffentlichen Content zu erstellen, war für mich der einfachste Weg, mehr zu tun. Denn egal, was ich jetzt unternehme: Es ist gerechtfertigt, weil ich es filmen und Content dazu erstellen kann.
Du sprichst wunderbar flüssig Englisch, dein Kanal ist aber komplett auf deiner Muttersprache Kroatisch. Hast du mal über eine englische Version nachgedacht?
Den Gedanken hatte ich auch schon. Aber wenn ich zu Englisch wechsele, bin ich nur ein kleiner Fisch in einem sehr großen Teich. Kroatisch fühlt sich authentischer an. Das ist meine Muttersprache und meine eigene Kultur und ich kann mich so besser mit meiner Community austauschen. Ich möchte einfach echt bleiben. In meinen Kommentaren sagen Leute oft, meine Videos fühlen sich an wie Videocalls. Das ist genau, was ich will: ein persönliches, ehrliches Feeling.
Wonach entscheidest du, welche Werbung oder welches Logo du dir als nächstes vornimmst?
Mittlerweile werden mir Werbung und Logos aus ganz Kroatien zugeschickt. Die Leute sagen:
„Ich habe dieses Plakat gesehen – was hältst du davon?“
Dann fingen Marken an, meine Meinung zu ihren Produktetiketten und Verpackungen anzufragen. Die Medien wurden auf mich und meine Videos aufmerksam und berichteten darüber. Es führte also eins zum anderen und jetzt wollen die Leute sehen, ob ich wohl derselben Meinung bin wie sie.
Sind deine Kritiken negativ oder positiv?
Der TikTok-Algorithmus funktioniert so, dass negative Aussagen mehr Aufmerksamkeit bekommen als positive. Wenn du in jedem Video sagst: „Finde ich super, alles perfekt“, wirst du kaum Reaktionen oder Interesse bekommen.
Aber kritisch zu sein muss nicht heißen, komplett negativ zu sein. Es bedeutet in meinem Fall, die Probleme sichtbar zu machen und Lösungen zu finden. Ich schaue mir die Fehler der Designs an, weil ich sie verbessern möchte, nicht weil ich generell alles für falsch halte.
Einige Leute missverstehen das und denken, ich hätte eine negative Grundeinstellung. Ich mache das aber nicht, weil ich einfach eine Spaßbremse bin – sondern ich kommentiere diese Designmängel leicht und locker, damit sie vielleicht behoben werden können.
Vor zwei Jahren wurde bei dir Autismus diagnostiziert. Wie wirkt sich das auf deine Schreibgewohnheiten aus?
Alles, was ich aufschreibe, muss in einer Liste stehen und nummeriert werden. Ich notiere mir also meine Einfälle in einer Liste (für TikTok bin ich aktuell bei 220 Ideen) und schaue, wie sie sich weiterentwickeln. Wenn ich mich später umentscheide, ist das auch okay.
Aber meine Ideen müssen niedergeschrieben werden. Viele sind anfangs eher durchschnittlich, entwickeln sich mit der Zeit aber deutlich weiter. Ich hasse das Gefühl, einen guten Einfall vielleicht aus den Augen zu verlieren, nur weil er in dem Moment nicht ausgereift genug ist, um ihn festzuhalten. Ich springe ständig aus dem Bett, um mir etwas aufzuschreiben. Und so wächst die Liste halt immer weiter.
Wie hilft dir das Notizbuch-System von paper republic dabei?
Mein Autismus hat sich unter anderem darin geäußert, dass ich zwanghaft alles archivieren musste, alle Aktivitäten festhalten musste. Ich wollte einerseits Dinge für die Zukunft planen, musste aber auch die Vergangenheit festhalten.
Und das war eine echte Herausforderung für mich. Denn wenn du ein Archiv anlegst, kannst du es in der Regel nicht mitnehmen. Und wenn du einen tragbaren Planer nutzt, hast du wiederum kein Archiv. Ich habe so viel ausprobiert, um aus dieser Zwickmühle herauszukommen: digitale Notizen auf meinem Handy, digitale Notizen auf dem Computer, aber nichts davon hat wirklich funktioniert.
Ich muss zugeben, dass ich das System von paper republic erst skeptisch gesehen habe. Die book refills fühlten sich für mich wie Zwischenlösungen an und das gefiel mir nicht. Aber jetzt kann ich ganz ehrlich sagen, dass es von all meinen Experimenten das beste System ist. Denn man kann mit den einzelnen refills unterschiedliche Abschnitte kreieren und hat trotzdem alles in einem Ledernotizbuch. Und wenn alles an Papier beschrieben ist, kann ich es in eine Box packen – und da ist mein Archiv.
Für mich macht das System einfach Sinn. Denn wer nachdenkt, ändert auch seine Meinung. Ideen entwickeln sich fortlaufend weiter. Ich hätte echt nicht erwartet, wie sehr mir paper republic gefällt.
Wie ist dein Notizbuch aufgebaut?
Ich habe ein [pocket] Portfolio in der Sonderedition „burnt orange“. Darin sind mehrere book refills und Notizbücher, mit denen ich meine Abschnitte voneinander getrennt halte. Zum Beispiel gibt es ein Tagebuch für meine persönlichen Gedanken.
Dann habe ich noch eine To-do-Liste für alles, was nicht zeitkritisch ist, das ich aber aus meinem Kopf bekommen muss und deshalb aufschreibe. Wenn ich irgendetwas im Kopf habe, sage ich es mir innerlich immer wieder vor. Diese Punkte müssen also irgendwohin. Ein Abschnitt ist außerdem meinen Content-Ideen für TikTok vorbehalten und einer der Arbeit.
Mir gefällt besonders das gepunktete Papier. Man hat eine tolle Orientierungshilfe, gleichzeitig sind die Punkte aber ganz subtil. Aus der Ferne sieht man also nur die Schrift.

Welchen Tipp hast du für alle, die bei TikTok starten und eine Community aufbauen wollen?
Erstens muss man beständig dranbleiben und viel Content posten. Und damit meine ich täglich, denn TikTok liebt Zahlen. In Bezug darauf kann es auch recht gnadenlos sein; es ist wie ein eigener Job. Man kann mal einen Tag verpassen, aber muss auf den Algorithmus achten und ihm geben, was er will.
Zweitens – zumindest gilt das für mich – ist es gut, einfach man selbst zu sein. Versuch nicht, deinen Content zu perfekt oder geskriptet zu gestalten. Ich rede gern über meine Themen und erstelle dazu Videos. Wenn du zu sehr auf perfekt geschliffenen Content achtest, bist du nicht mehr authentisch.
Und um wirklich authentisch zu sein, musst du so tun, als wärst du allein. Aber das bist du natürlich nicht. Eins meiner Videos wurde über 650.000 Mal angeschaut. Über solche Zahlen sollte man aber nicht zu viel nachdenken, sonst startet man die Aufnahme nie.
Auf welches Video bist du besonders stolz?
Wahrscheinlich eins meiner neueren Videos zum Thema Kunsttherapie, in dem ich über Kunstblockaden spreche und mit Filzstiften live ein Kunstwerk male. Damit scheine ich bei meinem Publikum einen Nerv getroffen zu haben und es ist eins meiner beliebtesten Videos.

Würdest du deinen TikTok-Kanal auch gerne in Vollzeit betreiben?
Ich glaube, darauf könnte es hinauslaufen. Aber wenn man das irgendwo laut ausspricht, bekommt man es mit vielen Vorurteilen zu tun. Viele denken, wenn man hauptberuflich Videos erstellt, verkauft man sich und die Qualität leidet.
Aber mir gefällt die Idee, finanziell unabhängig und nicht an einen bestimmten Ort gebunden zu sein. Außerdem wäre ich meine eigene Chefin. Und mein Job würde Spaß machen. Also ja: Einfach ich selbst sein und Videos über für mich interessante Themen machen.
Das wäre mein Traumjob.
Wenn sie gerade keine TikToks macht, ist Mia Teil unseres wunderbaren Teams im Lager. Bei uns einzusteigen, klingt interessant? Hier geht's zu unseren offenen Stellen.